Lasst sie doch tanzen? Nein!

Tanzende, kulturbeseelte LeistungsträgerInnen in der Hofburg, linkslinke Vandalen ringsherum – so die Darstellung der FPÖ. Die Medien berichten über Sachschäden statt über Polizeigewalt und verletzte Demonstrierende. Rechtfertigen umgeworfene Müllkübeln den Verzicht auf antifaschistischen Protest?

 Bis zu 10.000 Menschen setzten am 24. Jänner in Wien ein starkes Zeichen gegen Faschismus und tanzende Nazis in der Hofburg. Um die Ballgäste bestmöglich zu schützen und ihnen ein ungestörtes Vergnügen zu ermöglichen, wurde die Innenstadt hermetisch abgeriegelt und sogar die Pressefreiheit eingeschränkt. Die von KZ-Überlebenden unterstützte Kundgebung am Heldenplatz wurde polizeilich untersagt. 2.000 PolizistInnen wurden nach Wien rekrutiert, um mit Wasserwerfern, Pfefferspray, Schlagstöcken und Tränengas gegen die Demonstrierenden vorzugehen. Mit dem Vermummungsverbot in 9 Bezirken (!) wurde die Demonstration schon im Vorhinein unter Generalverdacht gestellt und eine Stimmung der Eskalation erzeugt. Der Effekt: Es kam genau so schlimm wie befürchtet.

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Foto: Daniel Weber, neuwal.com

„Lasst sie doch tanzen“

Man brauchte kein/e Prophet/in zu sein, um absehen zu können, dass sich die mediale Berichterstattung über die Proteste wieder einmal vorwiegend auf die verursachten Sachschäden, umgeworfene Müllkübeln oder einzelne kaputte Fensterscheiben, beschränken werde. Wenig verwunderlich daher auch die bald darauf von allen möglichen Richtungen formulierte Kritik an den Demos: „Lasst sie doch, ihr habt der FPÖ mit der Demo doch nur einen Gefallen getan.“ Denkt man diese Argumentation zu Ende, müsste man von Protestmaßnahmen gegen Neonazibälle oder rechtsextreme Aufmärsche künftig ganz absehen. Soll man künftig also gar nicht mehr demonstrieren, aus Angst davor, dass einige wenige Sachschäden die gesamte Demo in den Medien in ein schlechtes Licht rücken könn(t)en?

Wer tanzt und säuft denn da?

In einer Republik, in der rassistische Stimmungsmache längst politischer Alltag geworden ist und in der jemand Kanzler werden könnte, der in den 1990er Jahren noch vermummt an Nazi-Wehrsportübungen teilgenommen hat, stumpft man schnell ab. Daher ist es immer wieder wichtig, sich in Erinnerung zu rufen, um welche Gestalten es sich da handelt, die in der Hofburg jährlich saufen und tanzen: Honorige Rechtsanwälte, Richter, Steuerberater, Notare und Wirtschaftstreibende paaren sich mit dem militanten Milieu des Neonazismus. Rechtsextreme Burschenschafter, die den Untergang der Nazi-Terrorherrschaft betrauern und in ihren Kellern zu Liedern wie „Bei 6 Millionen Juden, da fängt der Spaß erst an…“[1] grölen, die rechtsextreme Elite aus ganz Europa, die das Hintreten auf ethnische Minderheiten zum politischen Programm erklärt hat.

Beim Akademikerball handelt es sich eben nicht um einen Ball wie andere auch, sondern um das Zusammentreffen der führenden Neonazis und skrupellosesten Rechtsextremisten Österreichs und Europas. 

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Schlagende Burschenschafter betrauern Jahr für Jahr den Untergang Nazideutschlands

„Wir Leistungsträger!“

Die Burschenschafter stellen das akademische Führungspersonal der heimischen Naziszene dar. „Gäbe es diese Burschenschafter nicht, dann wäre der Neonazismus zu einer unbedeutenden kriminellen Subkultur verkommen“, sagt etwa der Autor und Journalist Hans-Henning Scharsach. Das Erscheinungsbild überzeugter Neonazis hat sich heute geändert: Der Skin-Style ist eher out, während heute der Schwiegermuttertyp dominiert, der ganz bewusst in Trachtenloden daherkommt. Sie titulieren sich selbst als „Leistungsträger“ und unterteilen die Gesellschaft in höher- und minderwertige Teile. Die elitären Burschenschafter spielen im Hintergrund den agierenden Teil der FPÖ, der die neonazistische Ideologie aufrechterhält und sämtliche Handlungen der Partei beeinflusst. Sie berufen sich auf ihre „demokratischen Traditionen“, die es nie gegeben hat. Seit 1918 waren Burschenschafter an jedem antidemokratischen Putschversuch führend beteiligt. Burschenschaften waren Wegbegleiter und Wegbereiter von Hitlers Rassen- und Vernichtungspolitik. Die Burschis am Akademikerball haben mit Demokratie soviel am Hut wie die Wiener Polizei mit deeskalierender, gewaltfreier Konfliktprävention.

Scharsach zu den Burschenschaften: http://www.youtube.com/watch?v=IChk2sI82Co
 

Wer gefährdet die Demokratie?

Es ist daher keineswegs undemokratisch, solchen Kreisen einen Ball in der Hofburg zu verweigern – im Gegenteil: Demokratiefeindliche Kräfte haben in einem Gebäude der Republik nichts verloren. Skandalös ist daher nicht der Protest in der Wiener Innenstadt, sondern der Umstand, dass der braune Ball von der Hofburg Betreibergesellschaft nicht längst abgeblasen wurde. Statt stillschweigend dabei zuzusehen, wenn Unrecht zu Recht bzw. Abscheuliches zur Normalität wird, braucht es eine antifaschistische Protestkultur – gerade in einer Republik mit der Geschichte Österreichs. Der antifaschistische Widerstand war in den letzten Jahren durchaus erfolgreich, konnte er die Beteiligung am Akademikerball doch deutlich schmälern: Strömten 2009 noch 2.500 Gäste in die Hofburg, waren es heuer nur noch wenige Hundert. Nächstes Jahr sollte sich die Gästeanzahl dem Nullpunkt nähern – sorgen wir dafür!

 

Näheres zur rechtsextremen Szene:

http://www.youtube.com/watch?v=k69ccfmofXg

Bericht zu den Demos gegen den Akademikerball:

http://www.tagesschau.de/multimedia/video/video1368138.html

Kommentar zum verfehlten Polizeivorgehen:

http://derstandard.at/1389858225460/Selbst-erfuellende-Prophezeiung

 

 


[1] Liedermacher Michael Müller im Keller der Burschenschaft Olympia, der etwa die FPÖ-Politiker Martin Graf und Harald Stefan angehören.

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